Überschuldung bei der Übernahme einer Arztpraxis AG/GmbH

In der Schweiz stehen sehr viele Arztpraxen kurz davor, altershalber ihre Nachfolge regeln zu müssen. Ein Verkauf wäre der Idealfall. In der Realität gestaltet sich das meistens als sehr schwierig und anspruchsvoll. Interessenten/innen, die eine Praxis übernehmen wollen, sind rar. Die zu verkaufenden Arztpraxen werden entweder in der Rechtsform einer Einzelunternehmung oder einer AG/GmbH geführt.

Herr Brenner, worauf muss ich achten, wenn ich eine Arztpraxis kaufen will, die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführt wird?

Zuerst geht es um Informationsbeschaffung. Ich benötige Unterlagen wie die letzten drei Jahresabschlüsse, detaillierte Umsatzstatistiken, Auswertungen eines Trustcenters, Revisionsberichte und wenn möglich eine aktuelle Praxisbewertung. Allenfalls ist eine Due Diligence (Überprüfung) empfehlenswert. Ebenso wäre eine Kopie des aktuellen Mietvertrages mit Grundriss sinnvoll.

Woraus sehe ich, dass eine Arztpraxis in der Rechtsform einer AG gesund und nicht überschuldet ist?

Wichtig sind Liquidität, das Verhältnis von Fremdkapital zu Eigenkapital und die Rentabilität der Praxis. Eine aktuelle Bilanz zeigt, ob das Fremdkapital (die Schulden) höher ist als die Aktiven. Dann besteht rein formell eine Überschuldung. Im Detail lohnt sich hier die Überprüfung durch einen auf Arztpraxen spezialisierten Treuhänder. Natürlich gibt es auch sehr viele Informationen und Faktoren einer Praxis, die auf finanzielle und administrative Probleme hindeuten können. Meistens ist das Grundübel mangelnde Führung der Praxis, mangelhafte und nicht nachgeführte Buchhaltung und chaotische Administration. Im Umfeld der Praxis ist z. B. zu hören, dass eine hohe Fluktuationsrate beim Personal besteht. Rechnungen würden nicht pünktlich bezahlt werden oder es liefen sogar Betreibungen. Wie erfahre ich das? Im Umkreis einer Arztpraxis wird dies sehr schnell bekannt. Früher oder später erfahren das die meisten Berater, die in diesem Bereich tätig sind.

Wie gehe ich als Käufer/in bei der Übernahme einer Arztpraxis AG konkret vor?

Neben den zu beschaffenden Unterlagen und Informationen benötigt der/die Käufer/in ein Budget mit Investitionsplan, Planerfolgsrechnung und Liquiditätsplan. Daraus geht hervor, ob die Praxisübernahme lohnenswert ist. Entscheidend ist nicht, wieviel Umsatz der Vorgänger mit der Praxis erzielt hat, sondern wieviel Umsatz mit entsprechenden Konsultationen ich als Käufer/in erzielen kann.

Was ist ein Share Deal?

Bei einem Share Deal werden die Aktien einer Praxis AG verkauft. In der Arztpraxis AG befinden sich Positionen wie z. B. Bankkonto, Patientenguthaben per Stichtag, Medikamentenlager, Apparate und Instrumente, sowie als Fremdkapital noch unbezahlte Kosten (Verbindlichkeiten). Die Praxis geht als Ganzes an die Käuferin über. Alle bestehenden Verträge zwischen der AG und Dritten, wie Arbeitsverträge, Mietvertrag, Leasingverträge bleiben weiterhin bestehen. Eher selten ist ein Asset Deal, das heisst der Verkauf einzelner Aktiven.

Kann ich als Käufer/in für die Finanzierung des Aktienkaufs mein bisher angespartes BVG-Guthaben beziehen?

Wenn ich Aktien einer Arztpraxis kaufe und dadurch meistens Alleineigentümer/in werde, so trete ich mit meiner eigenen AG in ein Anstellungsverhältnis. Ich bin dadurch sozialversicherungsrechtlich unselbständigerwerbend. Das aktuelle BVG-Guthaben kann ich dadurch nicht beziehen. Sonst müsste ich die Praxis in der Rechtsform als Einzelunternehmung betreiben, was einen Statuswechsel von bisher unselbständigerwerbend auf neu selbständigerwerbend bedeuten würde.

Was sind die Steuerfolgen bei einem Share Deal?

Falls die Verkäufer der Aktien der Arztpraxis AG einen Gewinn erzielen, so ist dieser beim Verkäufer steuerfrei. Es handelt sich grundsätzlich um einen einkommenssteuerfreien Kapitalgewinn, falls sich die Aktien bisher im Privatvermögen des Verkäufers befunden haben. Trotzdem bestehen steuerliche Risiken, die eine sorgfältige Planung und Umsetzung erfordern.